Prognose Rücklauf HHGG

Die Auswirkungen des Wohnungsbaus auf die Recyclingmenge bei den Elektrogeräten

Mehr als die Hälfte der Schweizer:innen lebt in einer Mietwohnung. In vielen Neubauten gibt es keine Gemeinschaftswaschküchen mehr, sondern Waschmaschine und Wäschetrockner werden direkt in den Wohnungen installiert. Dies führt zu einem deutlich gesteigerten Absatz bei diesen Geräten: Was bedeutet dieser Trend für die Menge an Geräten, die später ins Recycling kommen?

Gang in die Waschküche oder ins eigene Badezimmer

Für viele ist es ein wöchentliches Ritual: die Wäsche zusammenpacken, in den Keller tragen und die Waschmaschine damit füttern. Zwischendurch wird noch mit den Nachbar:innen gestritten, wer wann die Maschine benutzen darf. Danach wandern die frisch gewaschenen Kleider in den Tumbler oder den Trocknungsraum, bevor sie wieder nach oben in die Wohnung getragen werden. Dieses Ritual gehört jedoch für zahlreiche Mieter:innen bereits nicht mehr zum Alltag, es wurde abgelöst von der Waschmaschine mit Wäschetrockner in den eigenen vier Wänden. Damit entfällt die Schlepperei in den Keller genauso wie der soziale Kontakt zu den Nachbar:innen. Auch der Platzverbrauch der Geräte in den eigenen vier Wänden sticht rasch ins Auge. Weniger beachtet wird eine weitere Folge dieses Trends: mehr Waschmaschinen und Wäschetrockner, die kaputtgehen und rezykliert werden müssen. Doch wie gross ist der Effekt auf die Recyclingmenge in Zahlen?

Um die Frage nach der künftigen Zunahme in Zahlen zu beantworten, braucht es einen Blick in die Statistik und einige Annahmen. Damit kommen wir zu einer Abschätzung des Anstiegs bei den Waschmaschinen und Wäschetrocknern, die in Zukunft ins Recycling gelangen. Zuerst schätzen wir die Zahl verkaufter Geräte ab, wenn alle in Gemeinschaftswaschküchen gestellt würden. Dann schauen wir die theoretisch mögliche Verkaufsmenge an, wenn alle Geräte in den einzelnen Wohnungen aufgestellt würden. Daraus erhalten wir eine Differenz für die beiden Extremfälle «alle Geräte stehen in Waschküchen» und «alle Geräte stehen in Wohnungen».

Anteile der 2023 neu gebauten Wohngebäude mit Anzahl Wohnungen pro Gebäude

Bedarf an Geräten für Waschküchen

Wie viele Geräte würden jährlich für den Einsatz in Waschküchen benötigt? Wir schätzen diese Zahl mithilfe der Gebäude- und Wohnungsstatistik des Bundesamts für Statistik ab. Diese Statistik liefert uns die Anzahl neu gebauter Wohngebäude sowie die Anzahl neu gebauter Wohnungen pro Jahr und teilt die Gebäude nach Anzahl Wohnungen ein. Für das Jahr 2023 können wir die Anteile der Hausgrössen aus den publizierten Daten des Bundesamts für Statistik ableiten. Diese sind im Tortendiagramm zu sehen. Etwas mehr als die Hälfte aller neu gebauten Häuser besteht aus einer Wohnung. Das sind fast ausschliesslich Einfamilienhäuser, plus ein paar Häuser mit gemischter Nutzung, die genau eine Wohnung aufweisen. Rund ein Viertel aller neu gebauten Wohngebäude haben zwei bis fünf Wohnungen. Das restliche Viertel machen Gebäude aus, die 6 oder mehr Wohnungen umfassen.

Die Statistik gibt uns also eine Zahl für die erstellten Gebäude mit Wohnungen pro Jahr an. Stellt sich die Frage, wie viele Geräte pro Haus in der Gemeinschaftswaschküche aufgestellt werden. Wir schätzen, dass jeweils 1 Waschmaschine und 1 Wäschetrockner in Gebäuden mit 1–5 Wohnungen aufgestellt werden. In Gebäuden mit 6–9 Wohnungen gehen wir von je 2 Waschmaschinen und Wäschetrocknern in der Waschküche aus. In Gebäuden mit 10 oder mehr Wohnungen rechnen wir mit 3 Waschmaschinen respektive Wäschetrocknern. Anhand der Daten aus der Statistik kann nun berechnet werden, wie viele Waschmaschinen und Wäschetrockner verbaut würden, wenn alle Häuser mit Gemeinschaftswaschküchen statt mit Geräten in den Wohnungen ausgestattet würden: Der Mittelwert über alle Gebäudegrössen ergibt so ziemlich genau drei Geräte pro Haus. Weil die Gesamtzahl aller neu gebauten Gebäude vom Bundesamt für Statistik für die Jahre 2013 bis 2022 publiziert wurde, berechnen wir die Anzahl für diese Jahre. In der Grafik mit der «Abschätzung neuer Waschmaschinen und Tumbler pro Jahr in Neubauten» ergibt das die Linie mit der Beschriftung «alle Geräte in Häusern».

Abschätzung neuer Waschmaschinen und Tumbler pro Jahr in Neubauten

Bedarf an Geräten in der eigenen Wohnung und Unterschied zu Waschküchen

Als Nächstes wollen wir die Zahl der Geräte abschätzen, wenn in allen neu gebauten Gebäuden die Waschmaschinen und Wäschetrockner in den Wohnungen aufgestellt würden. Dafür benötigen wir die Anzahl Wohnungen, die pro Jahr gebaut werden. Diese Zahl wird vom Bundesamt für Statistik erhoben und wir können sie ohne Hilfsrechnungen oder Abschätzungen übernehmen. Pro Wohnung rechnen wir mit einer installierten Waschmaschine und einem installierten Wäschetrockner. Das ergibt die zweite Linie in der Grafik mit der «Abschätzung neuer Waschmaschinen und Tumbler pro Jahr in Neubauten» mit der Beschriftung «alle Geräte in Wohnungen».

Die Differenz zwischen den beiden Extremfällen «alle Geräte in Waschküchen» und «alle Geräte in Wohnungen» beträgt 55 000–65 000 Stück pro Jahr. Die Zahl ist eine grobe Schätzung und vernachlässigt einige Faktoren, die wir in unserer Überschlagsrechnung nicht berücksichtigen: 

  • Es werden nach wie vor neue Gebäude mit Waschküchen gebaut. 
  • Gebäude mit kleinen und grossen Wohnungen nutzen möglicherweise eine Kombination aus einer Waschküche für die kleinen Wohnungen und eigenen Geräten in den grossen Wohnungen. 
  • In den Wohnungen kommen möglicherweise Kombigeräte aus Waschmaschine und Wäschetrockner zum Einsatz. 

Wichtig sind auch die Wohnungssanierungen, die bisher vernachlässigt wurden. Für die Anzahl sanierter Wohnungen, die auch eigene Waschgeräte erhalten, sind keine statistischen Daten verfügbar. Wir sind für diesen Anteil auf eine reine Schätzung angewiesen und erhöhen die für Neubauten berechnete Stückzahl um 50 % auf 80 000–100 000 Stück zusätzlich verbaute Geräte pro Jahr.

Auswirkungen auf den Rücklauf von Haushaltsgrossgeräten

Der Rücklauf von Elektrogrossgeräten wird im Rücknahmesystem der SENS in Tonnen gemessen. Im vorliegenden Fachbericht finden Sie die neuesten Zahlen zum Rücklauf im Artikel «Mengen Swico/SENS». Im Jahr 2024 gelangten 41 000 Tonnen Elektrogrossgeräte ins Recycling. Wie wird sich diese Menge verändern, wenn die zusätzlichen Waschmaschinen und Wäschetrockner aus den Wohnungen ins Recycling gelangen?

Mit Daten aus der Kondensatorenstudie von SENS und Swico konnten wir das mittlere Alter von Haushaltgrossgeräten zum Zeitpunkt des Recyclings herleiten: Das mittlere Gerätealter von Haushaltgrossgeräten im Recycling beträgt 17 Jahre. Wenn im abgeschätzten Szenario einer vollständigen Umstellung auf Maschinen in den Wohnungen 80 000–100 000 Stück zusätzlich verbaut werden, kommen diese im Mittel 17 Jahre später ins Recycling. Damit wir die Folgen für die Masse im Rücklauf abschätzen können, muss diese Anzahl in ein Gewicht umgerechnet werden. Für die inputbasierte Bilanz der Metallanteile hat SENS in mehreren Batchversuchen Durchschnittsgewichte für Waschmaschinen und Wäschetrockner ermittelt. Eine Waschmaschine, die heute ins Recycling gelangt, ist demnach im Mittel 72 kg schwer. Ein Wäschetrockner, der heute recycelt wird, ist im Mittel 50 kg schwer. Die zusätzliche Stückzahl im Recycling entspricht demnach 5000–6000 Tonnen pro Jahr.

Diese Überlegungen lassen bei den Haushaltgrossgeräten also einen Zuwachs von 10–20 % erwarten. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass es sich um eine Prognose mit vielen Annahmen handelt. Zudem werden jegliche anderen Trends ausgeklammert: zum Beispiel neue Gerätearten, die in den SENS-Kanal der Grossgeräte fliessen, oder ein leichteres Gerätegewicht wegen der Abnahme von Metallen zugunsten von Plastik in den Geräten.

Masse der Elektrogrossgeräte, die 2009–2023 im SENS-System ins Recycling gelangten

Zeitliche Einordnung der zunehmenden Menge im Recycling

Noch nicht beantwortet ist die Frage nach dem zeitlichen Verlauf dieser Zunahme. Hat sie bereits stattgefunden oder wird sie noch kommen? Der Trend zur Installation von Waschgeräten in den Wohnungen ist nicht erst gestern entstanden. Eine kleine Umfrage unter Architekt:innen hat ergeben, dass Eigentumswohnungen und Neubauten im gehobenen Segment schon seit Mitte der 1990er-Jahre mehrheitlich mit Waschgeräten in den Wohnungen ausgeführt werden. Seit den 2000er-Jahren hat sich der Trend verstärkt, womit heute in vielen Fällen auch bei Sanierungen und bei günstigen Wohnungen von privaten Bauträgern Waschmaschinen und Tumbler in die Wohnungen gestellt werden. Etwas anders sieht es bei Projekten mit einem ökologischen Fokus oder genossenschaftlichen Bauträgern aus: diese bauen eher Waschküchen oder lassen sie bestehen. Als Vorteile von Waschküchen werden weniger Probleme mit Schwingungen im Gebäude, weniger Schadenanfälligkeit und eine bessere Ökobilanz durch die Installation einer kleineren Anzahl Geräte genannt. Es gibt auch Beispiele, wo Waschküchen als Gemeinschaftsraum aufgewertet werden, um die sowieso gegebene Interaktion zwischen den Mieter:innen zu fördern und das Konfliktpotenzial zu entschärfen. 

Auf die gesamte Bautätigkeit gesehen, wird der Trend zu Geräten in den Wohnungen von allen angefragten Architekt:innen bestätigt. Zeitlich sollten sich die Auswirkungen in der Recyclingmenge bereits bemerkbar machen. Im Rücklauf von Elektrogrossgeräten ins Recycling zeigt sich bis 2017 ein ziemlich stabiles Gewicht, ab 2018 nimmt es bis heute zu. Der Unterschied im Rücklauf zwischen der 5-Jahres-Periode vor 2017 und der 5-Jahres-Periode nach 2017 beträgt rund 17 % nach Gewicht. Diese Zunahme stimmt gut überein mit dem abgeschätzten Zuwachs aufgrund der Installation von Waschmaschinen und Wäschetrocknern in den Wohnungen. Die Zunahme der verbauten Waschmaschinen und Tumbler könnte zumindest ein wichtiger Grund sein für die steigende Menge von Haushaltgrossgeräten, die ins Recycling kommen.