Fass mit Kondensatoren aus SENS HHGG (Quelle: Carbotech AG)
Kondensatoren

Kondensatorenkennzahl: wozu?

Kondensatorenkennzahl, Strichliste, Schadstoffentfrachtungsrapporte: Diese Begriffe wecken bei manchen Recycling- oder Zerlegebetrieben wahrscheinlich nicht immer nur positive Gefühle. Doch die Kennzahl kann ökologisch gesehen sehr wichtig sein. Und ein analytischer Blick auf den Indikator kann sich auch finanziell lohnen.

Bei den Audits von sowohl Recyclingbetrieben als auch Zerlegebetrieben (ZB) überprüft das Auditteam, wie viele Kondensatoren manuell aus den Elektroaltgeräten (EAG) entfernt wurden. Insbesondere wird eine Kennzahl für Kondensatoren aus Haushaltgrossgeräten (HHGG) unter die Lupe genommen. Früher wurden Strichlisten geführt, heute wird das Gewicht der Kondensatoren aus HHGG dem Gewicht der entsprechenden ganzen Geräte gegenübergestellt und daraus wird die Kondensatorenkennzahl berechnet. 

Die Kondensatorenkennzahl aus HHGG muss mindestens quartalsweise erhoben werden. Je nach Betriebsgrösse wird sie sogar monatlich eingefordert. Doch fehlt manchmal das Verständnis dafür, warum nach dieser Kennzahl gefragt wird. Es passiert deshalb häufig, dass diese zwar berechnet, aber danach nicht gedeutet wird. Des Öfteren taucht auch die Frage auf: Lohnt es sich wirklich, diese Zahl zu erfassen?

Für einen Kondensator 10-mal um die Welt fahren 

Aus ökologischer Sicht wird die Kondensatorenkennzahl ausgewertet, weil Kondensatoren Schadstoffe oder bedenkliche Stoffe enthalten können. Damit soll geprüft werden, ob alle verdächtigen Kondensatoren rechtzeitig vor der mechanischen Verarbeitung aus den EAG entfernt wurden. Denn wenn einmal die EAG geschreddert werden, die noch schadstoffhaltige Kondensatoren enthalten, verteilen sich die Schadstoffe auf alle Fraktionen, auch auf diejenigen, die recycelt werden. 

In Fokus stehen die – hauptsächlich in Kondensatoren enthaltenen – polychlorierten Biphenyle (PCB). Der Einsatz von PCB ist zwar seit 1986 in der Schweiz verboten, dennoch findet man diese Schadstoffe weiterhin im Elektroschrott. Schon sehr geringe Mengen haben eine beträchtliche Umweltbelastung. Wenn man schätzt, dass 10 g PCB in einem Kondensator aus HHGG enthalten sein könnten, dann entspricht diese Menge 219 Millionen Umweltbelastungspunkten (UBP)¹. Dies wiederum entspricht der Umweltbelastung einer Autofahrt, die 10-mal um die Erde reicht. Auch wenn die PCB-verdächtigen Kondensatoren selten sind², ist es immer wichtig, jeden einzelnen von ihnen aus dem Strom zu entfernen. 

Die Kennzahl kann auch zu hoch sein

Der Richtwert für die Kondensatorenkennzahl in HHGG sowie in Haushaltkleingeräten liegt gemäss der technischen Spezifikation 50625-3-1 von CENELEC bei 1 kg PCB-verdächtige Kondensatoren pro Tonne EAG. In HHGG werden in der Praxis einzelne Messwerte zwischen 0,8 und 1,8 kg/t erfasst. 

Hier sind 3 Beispiele, die aufzeigen, wie die Kondensatorenkennzahl für HHGG interpretiert werden kann:

  1. In einem Betrieb werden Werte erfasst, die leicht über den Richtwerten liegen, z. B. 2,5 kg/t. Hier stellt sich die Frage, ob nicht mehr Bauteile entfernt werden als nötig ist. 
  2. Wird eine viel höhere Zahl erhoben, z. B. 30 kg/t, ist es sehr wahrscheinlich, dass die erfassten resp. gewogenen Kondensatoren nicht alle aus HHGG stammen. Vielleicht werden zum Beispiel Kondensatoren aus Industrieanwendungen im selben Fass gesammelt und mitgewogen? Wenn ein SENS-Recyclingbetrieb von einem ihm angehängten ZB Kondensatoren aus anderen Quellen als EAG erhält, dann zahlt dieser Recycler zu viel für die fachgerechte Entsorgung in einer Hochtemperaturverbrennungsanlage.
  3. Bei sehr geringen Zahlen wie z. B. 0,2 kg/t besteht das Risiko, dass nicht alle PCB-verdächtigen Kondensatoren manuell entfernt wurden. Als Erstes wird nun geprüft, ob keine Mengen vergessen wurden (nicht erfasst, nicht kommuniziert etc.). Es wird auch nach der Zusammensetzung der Geräte gefragt. Manche HHGG, z. B. Backöfen, enthalten nämlich weniger Kondensatoren. Ist dies alles nicht der Fall, müssen vom Betrieb entsprechende Massnahmen ergriffen werden. 

Kennzahl zu niedrig: was nun?

Eine zu geringe Kondensatorenkennzahl wird in manchen Fällen dadurch bestätigt, dass in den Sammelmischproben von Staub oder Siebfraktionen höhere PCB-Konzentrationen gemessen werden. Wenn der Grenzwert von 50 mg PCB/kg Abfall erreicht wird, handelt es sich um einen Sonderabfall. Zudem werden bei ungenügender Entfrachtungsleistung oft auch silbrige zylindrische Kondensatoren im Haufen der schadstoffentfrachteten HHGG gesehen. Sind alle Hinweise kombiniert, ist das Problem einer ungenügenden Schadstoffentfrachtung der HHGG offensichtlich. Jetzt heisst es: neue Schulungen, mehr Sensibilisierung, weitere chemische Analysen und mehr Rundgänge zur Überprüfung der Qualität, bis alle Werte wieder im erwarteten Bereich sind. 

Die Interpretation der Kennzahlen kann für das Verständnis der Ursache einer ungenügenden Schadstoffentfrachtung von HHGG auch gezielt eingesetzt werden. Waren die Zahlen zum Beispiel tief, als viele Saisonarbeiter:innen angestellt waren, die eventuell nicht genügend geschult wurden? Oder war ein Teil des Betreuungsteams eines Zerlegebetriebs in den Ferien und es konnten nicht genügend Qualitätsrundgänge stattfinden? Eins ist klar: Die Detektivarbeit wird nicht umsonst sein. Sie schont die Umwelt und manchmal reduziert sie auch die Betriebskosten. 

PCB sind auch in mehr als der Hälfte der Kondensatoren aus älteren magnetischen Vorschaltgeräten aus Leuchten zu finden. Bisher wurde aus praktischen Gründen keine Kennzahl für diese Bauteile eingeführt, da Leuchten Teil der sehr diversen Haushaltkleingeräte sind. Auch andere Kleingeräte können PCB-haltige Komponenten enthalten. Ohne eine Kennzahl für Kondensatoren in Kleingeräten ist es umso wichtiger, dass bei den Kontrollrundgängen auf dem Platz geschulte Augen und ein Bewusstsein für diese Schadstoffe vorhanden sind.