Klimaschutz aus der Kälte: wie die Schweiz mit alten Kühlschränken Emissionen vermeidet
Beim Recycling von Kühlschränken, Tiefkühltruhen oder Klimageräten steht längst nicht mehr nur die Rückgewinnung von Metall und Kunststoff im Fokus – es geht um wirksamen Klimaschutz. Dank hochentwickelter Technologien zur Rückgewinnung von Kälte- und Treibmitteln leistet die Schweiz einen bedeutenden Beitrag im Kampf gegen Treibhausgasemissionen – und zwar Jahr für Jahr.
Im Jahr 2024 fanden 412 000 Wärmeüberträgergeräte – insgesamt 21 000 Tonnen – ihren Weg ins SENS-Rücknahmesystem. Sie enthalten in den Kompressoren und Polyurethan (PU)-Schäumen noch immer bedeutende Anteile an ozonschichtschädigenden und treibhausaktiven Substanzen wie FCKW (Fluorchlorkohlenwasserstoffe) oder ausschliesslich treibhausrelevanten HFKW (Fluorkohlenwasserstoffe). Diese fluorhaltigen Gase sind in der für das Kühlgeräterecycling massgeblichen Norm SN EN 50625-2-3 unter dem Begriff VFC (flüchtige fluorierte Kohlenwasserstoffe) zusammengefasst. Sie grenzen sich von den VHC (flüchtige nichthalogenierte Kohlenwasserstoffe) ab, welche kein nennenswertes Treibhauspotenzial aufweisen, jedoch zur Schadstoffbelastung der Luft (z. B. bodennahe Ozonbildung) beitragen können.
Ersatz von Kälte- und Treibmitteln seit 1994
Der Ersatz des ozonschädlichen Kältemittels FCKW R-12 erfolgte schrittweise: Zunächst durch das ozonverträgliche, aber noch immer treibhauswirksame HFKW R-134a, später durch den in beiden Aspekten unproblematischen Kohlenwasserstoff R-600a. Die Grundlage bildeten internationale Abkommen wie das Wiener Übereinkommen und das Montrealer Protokoll. Früher und schneller gelang der Wechsel bei den zur PU-Schäumung verwendeten Treibmitteln: Hier wurde das FCKW R-11 direkt durch den ozonunschädlichen Kohlenwasserstoff Cyclopentan ersetzt, dessen Treibhauspotenzial praktisch vernachlässigbar ist.
Die zeitlich gestraffte Umstellung bei der Geräteproduktion spiegelte sich auch im Recycling wider: Seit 2003 steigt der Anteil der recycelten Kompressoren mit VHC-Betrieb kontinuierlich an (Stufe 1). Bei den mit VHC geschäumten Gehäusen setzte dieser Trend bereits ab dem Jahr 2000 ein (Stufe 2). Fachleute erwarteten, die Kurven der Anteile klimaschädlicher VFC-Geräte würden in der Folge steil abfallen. Das Gegenteil war der Fall: Die Abwärtskurven nähern sich sowohl bei den VFC-gefüllten Kompressoren als auch bei den VFC-geschäumten PU-Isolationen viel langsamer als vermutet der x-Achse an: Noch im Jahr 2024 stammten 21 % der Kompressoren und 17 % der Geräteisolationen aus älteren Bauarten mit VFC-haltigen Komponenten. Mit Ammoniak betriebene Absorbergeräte (häufig Minibars) bleiben mit knapp 2 % seit vielen Jahren auf unverändert geringem Niveau.
Grosse Klimarelevanz
Werden die Geräte nicht fachgerecht von diesen Schadstoffen entfrachtet, gelangen sie in die Atmosphäre – mit drastischen Folgen: Ein einziges Kilogramm dieser Stoffe entfaltet die Klimawirkung mehrerer Tonnen CO₂. Um dies zu verhindern, setzt die Schweiz bereits auf die zweite Generation von Recyclinganlagen (Ersatz zweier in die Jahre gekommener Anlagen 2022 und 2023). Diese gewinnen Kälte- und Treibmittel mit modernster Zerkleinerungstechnik und Prozessluftbehandlung kontrolliert zurück, um sie anschliessend in einer Hochtemperaturverbrennungsanlage ebenso kontrolliert thermisch aufzuspalten. Dabei entstehen CO₂, Wasser sowie Salze und Säuren – Produkte mit viel geringerer oder vernachlässigbarer Klimarelevanz.
Der Aufwand lohnt sich: Allein durch das Recycling dieser Substanzen wurden im vergangenen Jahr rund 160 000 Tonnen CO₂-Äquivalente vermieden. Diese Treibhausgas-Vermeidung entspricht in etwa 85–90 % des durch das SENS-Rücknahmesystem erbrachten jährlichen Gesamt-Klimanutzens (LCA Carbotech AG 2024).
Modernste doppelstufige Rückgewinnungsverfahren
State-of-the-Art-Recyclinganlagen – wie sie die drei Firmen Immark AG in Aarwangen, E. Flückiger AG in Rothrist und Oeko-Service Schweiz AG in Rheinfelden betreiben – arbeiten zweistufig: Zuerst werden in einem händischen Schritt mittels Zangen- oder Bohrkopfsystem die Kältekreisläufe resp. Kompressoren angezapft und die Kältemittel sowie das Öl entnommen.
Glas sowie die fertig abgesaugten, kupferhaltigen Kompressoren werden ebenfalls vor der mechanischen Verarbeitung entfernt
und einer stofflichen Verwertung zugeführt. Schadstoffhaltige Komponenten wie Kondensatoren oder Quecksilberschalter werden thermisch beseitigt. Anschliessend werden die Gerätekorpusse der vollautomatischen Shredding- und Treibmittel-Rückgewinnungsstufe zugeführt.
Im Ergebnis dieses vollständig gasdichten Prozesses fallen Eisen- und Nichteisenmetalle sowie hochwertiger Kunststoff als verwertbare Fraktionen an. Das vollständig entgaste Polyurethan kann teilweise stofflich genutzt werden, wird jedoch zumeist noch als Ersatzbrennstoff in einem Zementwerk verbrannt. Treibmittel werden auf kaskadierten Aktivkohlefiltern adsorbiert, mithilfe von Wasserdampf regeneriert und via Kältemaschine kondensiert. Das verflüssigte Treibmittelgemisch wird in Druckgastanks gepumpt, um – analog zu den Kältemitteln – in einer Sonderabfallverbrennungsanlage entsorgt zu werden.
Rückläufige Kennzahlen bei konstanter Effizienz
Die Menge an zurückgewonnenen Kälte- und Treibmittelgemischen schwankt von Jahr zu Jahr – bedingt durch die sich verändernde Gerätezusammensetzung: VHC-Einfüllmengen und -Konzentrationen im PU sind wesentlich geringer als bei VFC-Geräten. Somit verläuft der Trend hin zu immer tieferen zurückgewonnenen Gasmengen – bei nachweislich gleichbleibender Anlagenperformance.
Für 2024 gelten folgende Kennzahlen für die aus geschäumten Kompressorgeräten zurückgewonnenen und danach thermisch beseitigten Substanzen:
- Kältemittelgemisch VFC/VHC pro Kompressor: 49 g (Vorjahr: 68 g, −27 %)
- Öl pro Kompressor: 140 g (Vorjahr: 148 g, −5 %)
- Treibmittelgemisch VFC/VHC: 47 g/kg PU-Schaum (Vorjahr: 51 g/kg, −8 %)
Unsachgemässe Gerätelogistik ist auch ein Arbeitsschutzthema
Bevor die Kühlgeräte, Entfeuchter oder Klimaanlagen in den Hightech-Recyclingprozess gelangen, rückt ein anderes Qualitätskriterium in den Fokus: der Zustand der angelieferten Geräte. Dieser ist nicht immer einwandfrei. Bei einem signifikanten Anteil der Geräte mit defektem Kältekreislauf liegt der Grund für den Schaden (Entweichen des Kältemittels!) im unsorgfältigen Handling durch den Abgeber – auf der Bau- oder Sammelstelle oder beim Entsorgungs- oder Logistikunternehmen, welches die Geräte für den Transport zur Recyclinganlage vorbereitet. Geräte werden häufig ungeordnet in Container verladen und zusammengedrückt, sodass Kälteleitungen und Gehäuse beschädigt werden. Dies widerspricht nicht nur den Normanforderungen an eine sachgerechte und dem Umweltschutz verpflichtete Gerätelogistik, sondern ist auch gefährlich: Lose Teile können beim Entladen heraus- oder herunterfallen und die mit dem Ausladen beschäftigten Personen verletzen, abgerissene Leitungen und aufgerissene Gehäuse können zu tiefen Schnittwunden führen und zerdrückte sowie ineinander verhakte Geräte können ein unkontrolliertes Herunterfallen weiterer Geräte auslösen. Eine umsichtige Sammlung und eine sorgfältige, geordnete Geräteverladung sind nicht nur für den Umweltschutz, sondern auch für die Arbeitssicherheit von grosser Bedeutung. Hier appelliert die SENS mit ihren zertifizierten Recyclingpartnern in erster Linie an die Eigenverantwortung sämtlicher Marktteilnehmenden.
Fazit: wirkungsvoller Hebel für den Klimaschutz
Eine sorgfältige Logistik ausgedienter Kühlgeräte und deren technologisch zukunftsweisendes Recycling bleiben ein unverzichtbarer Hebel auf dem Weg zur Dekarbonisierung. Auch wenn ein Grossteil der End-of-Life-Geräte bereits umweltfreundlich ist, schlummert in den Abertausenden Geräten herkömmlicher Bauart noch immer grosses Potenzial zur CO₂-Vermeidung. Die Schweiz zeigt mit ihrem hochentwickelten Recyclingsystem, wie technologische Präzision und ökologische Verantwortung Hand in Hand gehen können – und wie relevant die State-of-the-Art-Rückproduktion ausgedienter Kühlschränke hinsichtlich des Umwelt- und Klimaschutzes ist und noch lange bleibt.